Impressionistische Kritik

Otokar Březina: Ženy

Jan P.

Otokar Březina, Jan P..pdf (132916)

 

Jiří Karásek ze Lvovic: Gedichte

Melancholie, eine Dichtung von J. Karásek. Eine poetische Darbietung gekennzeichnet durch Theatralik und Sehnsucht nach dem Ende. Als Leser möge man sich nach Lesen dieses Gedichts die Frage stellen, Sehnsucht nach WESSEN Ende?! Und dies zu recht, denn die dekadente Stimmung kommt hier leider ebenso zu kurz, wie auch stilistische Darbietungen und plastische Sprachfeinheiten. Von einem fesselnden Lesegenuss, angesichts der fehlenden Nachempfindung, ist man annähernd so weit entfernt wie von einer künstlerischen Höchstleistung.

Kurz gesagt: Sehnsucht nach dem Ende des Amorphen und hin zu einer authentisch dargebrachten Melancholie. Außer rhythmisch devoten Strophen und blasphemischer Dichtung, entpuppt sich ein sehnsüchtiges Warten im wahrsten Sinne des Wortes...ein Warten auf – plump ausgedrückt - bessere Poesie...

Lieber Herr Karásek – das nächste Mal bitte psychologisch tiefer und sprachlich erhobener.

Cornelia S.

 

Březina: Gedichte

Wenn Březina eine Stadt sieht, dann hat sogar die Sonne  schon bessere Tage gesehen. Erfrieren muss  dort aber trotzdem keiner, denn Gott sei Dank steigen Schatten aus Gräbern, deren Augen nämlich wie unheimlich Sonnen glühen. Die Glut umschwang die Stadt, als wäre diese nicht schon geprüft genug, auch noch mit webender Schwermut  (wer sich jemals gefragt hat, ob Schwermut eine Handarbeit ausführt, hat nun die Antwort: sie webt).

Abschließend bildet Březina noch mit einer eindrucksvollen Anzahl an Adjektiven den Satz: "Ich bin einsam."

Irene D.

 

Karel Sezima: Zauber des Abschieds

„Kunst ist Wahrheit – Kitsch ist eine Lüge“

Diese Aussage trifft die Stimmung dieser Erzählung sehr gut. Man gewinnt den Eindruck in einer romantisch verklärten Welt gefangen zu sein, als Beobachter einer romantischen Anbahnung zwischen – wie sollte es anders sein – einem schönen, von weißer weicher Haut umhüllten jungen weiblichen Wesen und einem sich nach ihrer körperlichen Präsenz verzerrenden jungen Mann. Die Szenerie ist eingebettet in ein Lawn-Tennis-Match, gelangweilt gehen die Figuren dieser Freizeitbeschäftigung nach. Man möchte in dieser in Pastellfarben getönter Welt mit dieser schwülig-weltfremden Atmosphäre ersticken!

Sehnsüchte, Fernweh, Gefühlserregungen, unausgesprochene Worte, Errötung, gesellschaftliche Beschränkungen, Tennis – eine recht junge Freitzeitbeschäftigung – und Stiefmütterchen, all das sind Kompositionselemente für einen vorbildlichen und durch seine Schablonenhaftigkeit leider langweiligen impressionistischen literarischen Wurf.

Laura D.

 

Jiří Karásek ze Lvovic: Gedichte

Dominik B.

Jiří Karásek ze Lvovic, Dominik.pdf (117678)


Intime Freie Bühne

"Guten Abend, meine Damen, meine Herren!

Vorerst will ich Sie herzlich begrüßen zu unserer heutigen Vorstellung.

Wie Sie sicherlich festgestellt haben, befinden wir uns in keinem großen Theater, keinem Opernhaus – auf keiner Bühne, wie Sie es kennen. Dafür sind Sie hier!! Die „Bühne“ ist nicht auf einem erhöhten Podest – nein, das Stück spielt mitten unter Ihnen. Sie erleben die Szenen, als wären Sie selbst dabei – Sie sind mitten im Geschehen!

Die Impulse der Akteure sind echt und nicht gespielt. Die Schauspieler hier sind nicht so verdorben, wie Sie sie sonst von der Bühne kennen. Um wahre Emotionen und Empfindungen zu zeigen, braucht man keine Ausbildung! Und um wahre Erregung beim Zuschauer zu wecken, keine Bühne! Der Glaube soll in die ursprüngliche Poesie zurückversetzt werden, denn nur durch die Phantasie lebt das Stück!

Die wahre Kunst, das wahre Leben erleben Sie hier! – mit uns!

Seien Sie gespannt. Halten Sie ihren Geist offen und lassen Sie sich nicht nur berieseln!

Nur hier ist so eine Art – so eine wahrhaftige Art des Theaters möglich, auf dieser intimen Bühne – in dieser intimen Atmosphäre.

Ich wünsche Ihnen also eine schöne Vorstellung.

Danke."

Caroline P.

 

"Hochverehrte Zuschauer, oder vielmehr: hochverehrte Gäste!

Seien Sie aufs Herzlichste willkommen geheißen auf der Première des Intimen freien Theaters. Wenn Sie heute erquickt von der schauspielerischen Darbietung Ihre Gnädige nach Hause führen und womöglich noch den einen oder anderen Gedanken an das Stück verschwenden, das hier in Kürze hinter diesem Vorhang dargereicht werden wird, wenn Robert und Adele auftreten – es erwartet Sie die Komödie „Ritter, Tod und Teufel“ von Dr. Rudolf Lothar, ein prächtiges Gaudium! Ich darf übrigens ansonsten anmerken, dass meiner bescheidenen Person die Ehre zuteil ward, mich mit Dr. Lothar privatim zu unterhalten und, ich versichere Sie, es handelt sich hier um einen Herrn vom vorzüglichsten Kunstverstande. Wenn Sie nun den Nachhauseweg antreten, wird es Sie, da kann ich Sie versichern, nicht reuen, dass Sie am heutigen Abend – und Sie werden dies ja auch fürderhin tun, die Sie ja unserem kleinen Vereine beitraten – es wird Sie nicht reuen, hier diesen unseren, zum Behufe der Schauspielkunst nur notdürftig adjustierten Saal den mit allerlei teurem Tand ausstaffierten Steintheatern unserer vergnügunssüchtigen Stadt vorgezogen zu haben. Mit Ihrer Anwesenheit erweisen Sie sich als Liebhaber der höchsten und reinen Kunst, denn uns ist das ewige geschäftige Treiben der ständigen Bühnen zuwider. Wir wollen uns nicht an diesem, erlauben Sie das Wort, Affentheater delektieren, das dem Volk allerorten vorgeworfen wird wie den Säuen. Aus diesem Grunde treten heute ausschließlich Laiendarsteller auf, die von dem affektierten Gebarden des Metiers noch unberührt sind. Freuen wir uns also auf die folgende Nummer, mit der heute die Intime freie Bühne ihren Betrieb aufnimmt. Bleiben Sie unserem Kreis ergeben und haben Sie teil am lebendigen, intimen, echten Geist, von dem unsere Arbeit hier lebt. Danke sehr."

Tobias S.

 

"Sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie mit vollster Inbrunst zum heutigen Theaterabend. In Kürze werden Sie Augenzeuge der Erstvorführung von Petr Hůleks Traum-Drama „Gefangen in Glorias Gedanken“ werden und das hier, in Ihrem heiß und innig geliebten & hochgeschätzten Bollvík-Theater. Sie wissen, worin die Vorzüge eines Besuchs unseres Theaters liegen. Nur hier finden Ihr glorreicher Feinsinn, Ihr Bestreben, die Kunst zu erfassen, & Ihr Wunsch, die Tiefsinnigkeit, den Elan & den Esprit der Darsteller zu verinnerlichen, die Möglichkeit zur vollen Entfaltung und Kultivierung. Das Bollvík-Theater legt seit seiner Grundsteinlegung den größten Wert auf Poesie, Kunst & ihre Feinheit. Im Gegensatz zu den großen & goldenen Marmorpalästen, die in der Innenstadt wie Grabsteine den Untergang des Dramas & des Lustspiels heraufbeschwören, versuchen wir hier, Sie nicht vom Wesentlichen abzulenken: dem Ereignis auf unserer bescheidenen, aber stolzen Holzbühne. Auf diesen einfachen, aber soliden Brettern werden sich keine aufgetakelten und streitsüchtigen Primadonnen um die Hauptrollen zanken oder aufgeblähte und triebhafte Herren mit überhöhten Gagenanforderungen Ihren Töchtern oder Schwestern von der Bühne aus Luftküsse zuwerfen. Nur Liebhaber der darstellenden Künste & stolze Volksmänner & -frauen mit ehrlicher und wahrhaftiger Freude am Inszenieren großer poetischer Gedanken finden bei uns dauerhaft Platz. Das wissen nicht viele Zuschauer zu schätzen & suchen Albernheit und Ferkelei in den so genannten altehrwürdigen Theatern, die sich ihrer Geschichte rühmen, wie Huren sich mit einer großen Anzahl an Freiern schmücken. Menschen lassen sich nur allzu leicht von Scheinwerfern, Brokkat & unzähligen gesichtslosen Platzzuweisern in den Bann von Geschäftemacherei & Feindseligkeit gegenüber der Kunst einlullen, in der Hoffnung, einen Moment lang von den Sorgen & Nöten unseres tapferen Volkes befreit zu werden. Aber diese Menschen  irren sich. Wahrhaftige Zerstreuung, die Herz & Seele mit Leichtigkeit und Glückseligkeit erfüllt, findet man in der Poesie. Leider sind Weisheit und große Erkenntnis nur wenigen, sorgfältig von den Musen persönlich ausgewählten Personen vorbehalten & wir, die Initiatoren des Bollvík-Theaters, können himmelhoch jauchzend feststellen, dass sich diese Menschen bei uns als unser verehrtes Publikum regelmäßig einfinden. Es ist unsere höchste Ehre, Sie als unsere Zuschauer zu wissen! Somit werden wir ohne größere Umschweifungen zum eigentlichen Ereignis dieses Abends zurückkehren. Ich wünsche Ihnen einen tiefsinnigen Abend voller hochpoetischer Unterhaltung!"

Dominik B.

 

"Sehr geehrtes Publikum, werte Freunde und Kenner unseres bescheidenen Hauses!

Es ist mir eine große Ehre, Sie heute Abend willkommen heißen zu dürfen.

Obwohl mich sicher viele der heute Anwesenden persönlich kennen, möchte ich mich und unser Etablissement mit wenigen Worten vorstellen: Mein Name ist Arnošt Procházka und gemeinsam mit Jiří Karásek ze Lvovic habe ich diese bescheidene, aber auch intime Bühne initiiert. Intim bezieht sich nicht nur auf die Größe des Theaters, sondern auch auf unser Anliegen im kleinen Kreise, mit fühlenden Menschen und nicht mit den gelehrten Handwerkern der Steintheater, seelische und innere Ereignisse, Tatsachen und Veränderungen anschaulich und den Kennern und Interessierten aller Schichten zugänglich zu machen. Bereiten Sie sich vor auf ein Theatererlebnis der besonderen Art.

Ich freue mich über ihr zahlreiches Erscheinen, bedanke mich für ihr Interesse und wünsche ihnen einen tiefgründigen, berührenden Theaterabend…"

Arnošt Procházka (Judith M.)

 

"Verehrtes Publikum, hochgeschätzte Freunde des freien Theaters, des wahren Schauspiels, der intimen Inszenierung!

Mit der Eröffnung dieses Hauses schreiben wir am heutigen Tag Geschichte, setzen einen Schritt, der diesen Zeiten Tribut zollt und der eine Entwicklung in Gang setzen wird, derer Zukunft wir uns aufgrund der Kürze eines Menschenlebens zu Lebzeiten nicht gewahr werden können. Doch wird Sie das Moment der Revolution erfassen, eine Ahnung von dem bevorstehenden Einschnitt in die banale Chronik der tschechischen Bühne.

Sie werden unmittelbar nach meinen, so hoffe ich, erhellenden – nicht belehrenden! – Worten über die Notwendigkeit der Reformation des geistigen Sumpfes der europäischen Theaterlandschaft eine Aufführung des Werkes „Fräulein Julie“ des hochgeschätzten August Strindberg erleben.

Doch zuerst eine Gegenüberstellung des Sinnes dieses einmaligen Hauses, dessen Eröffnung wir feiern, und des konventionellen, nicht unweit von hier liegenden, des Prager Nationaltheaters. Dessen Gebäude gleicht äußerlich einem Ungetüm aus Stein, gepaart mit abscheulicher Dekadenz im Innenleben des Ungeheuers: ja, ich beziehe mich auf das Publikum, auf die gelangweilten Besucher dieser abscheulichen Inszenierungen. Auf jene, die in Ausübung ihrer bürgerlichen Pflicht Woche für Woche, Monat für Monat absolut lebensfremde Inhalte über sich ergehen lassen. Das Individuum muss von einem Theater befreit werden, das allein zur Unterhaltung, zur Abschweife und Selbstbestätigung existiert. Das Theater muss demokratisiert werden! Dieser Prozess beginnt bei der Architektur – unser Haus ist, wie Sie bemerkt haben, ein offenes, zartgliedriges, wider die Wucht des Ungetüms – und setzt sich im Schauspiel und Darstellung fort. Unser Anspruch soll der Bruch mit dem Verbot der Veranschaulichung der gesellschaftlichen Machtstrukturen sein! Wir wenden uns an Kenner, dem Intellekt des Subjekts gesinnte, egal welchem Stande zugehörige Individuen.

Diesen Schritt setzen wir heute in Prag, nicht in Wien, Paris, Berlin oder der Heimatstadt des verehrten August Strindbergs.

Am heutigen Tage erleben Sie die Premiere der Inszenierung des Werkes „Fräulein Julie“, das fiktive Zeugnis des konfliktreichen Bruches der hochwohlgeborenen Julie mit gesellschaftlichen Konventionen, der in einer Tragödie enden wird.

Wohlmöglich wird Sie das Dargestellte verstören, die Blöße der Protagonisten entsetzen, der Minimalismus des Bühnenbilds enttäuschen. Doch auf dem Rückweg in das alltägliche Dasein werden Ihre Gedanken nicht loslassen können vom Erlebten und genau dann hat dieses Haus seine Intention erreicht. Sie innerlich mit Leben zu erfüllen, die Wahrheit des Lebens erkennen zu lassen!

Nun ich so meine eröffnenden Worte beende, solle der Vorhang sich lüften, lassen wir uns beginnen!"

[Abgang.]

Laura D.

 

"Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich begrüße Sie zu einem Ereignis der Superlative – lehnen Sie sich zurück und genießen Sie ein Spektakel, dass Sie so schnell nicht vergessen werden. Eine Darbietung der Sonderklasse, ein Erlebnis für den Geist. Ich bin gewiss, Ihre Erwartungen über eine Theatervorstellung von 1896 ist eine andere, als jenes Erlebnis das wir Ihnen heute Abend darbieten werden. Mit großem Vergnügen möchte ich Ihnen, meinen werten Damen und Herren im Publikum, erläutern, was Sie heute Abend erwarten wird.

Vergessen Sie den Prunk der großen Theaterhäuser dieser Welt, vergessen Sie den Massengeschmack unserer Zeit, vergessen Sie all den Trubel, welcher die falschen Werte des Theaters vermitteln möchte - nämlich nur jenen des Vergnügens. Tauchen Sie ein in eine Welt abseits von Verdi und Rossini, in eine Welt, die wir Ihnen in einfachster Form und Weise auf die Bühne zaubern wollen, ohne großen Wert auf Requisiten oder Bühnenbilder zu legen. In eine Welt in der die hohe Kunst und die echte Poesie noch im Vordergrund stehen. In eine Welt ohne Schnickschnack und inhaltsleere Worte, wo das Gold und der Samt an den Wänden Sie vom eigentlichem Theatergeist abzulenken versuchen. In eine Welt, in der Sie – die Studenten und Arbeiter unter Ihnen - genauso gern gesehen und willkommen sind, wie es die hohe Schicht der Aristokratie in den etablierten Häusern Europas ist. Wir appellieren an Sie, meine geschätzten und verehrten Zuseher, an Sie die sie wenige Meter von mir und der Bühne entfernt sitzen, den intimen Kontakt zwischen den Schauspielern und Ihnen als Zuseher als etwas Wertschätzendes und Echtes wahrzunehmen. Die Laien, welche von der hohen Schauspielkunst noch völlig unberührt sind, die Sie heute auf dieser kleinen Bühne spielen sehen werden, brennen darauf, Ihnen ihr Können und ihre Liebe zu diesem Theaterspiel darzubringen. Ein Theaterspiel, welches durch einfachste Art und Weise und mit reduzierter Theatertechnik versucht, sich auf das Eigentliche, nämlich der Kunst des Theaterspiels, konzentrieren zu können. Sie sehen, die Intime Freie Bühne Prags in der Sie sich heute befinden ist etwas für Liebhaber im kleinen Rahmen, sozusagen für die Exklusivsten der Theaterbesucher.

Begrüßen Sie mit mir nun die Schauspieler des heutigen Abends die Ihnen das Stück „Adamek Pierro's Reise in die geheimen Gässchen von Prags jüdischem Viertel“ darbieten werden. Einen großen Applaus für..."

Cornelia S.